Am Morgen müssen wir dringend als Erstes unsere Abwassertanks entleeren. Als gestern Abend das Duschwasser nicht mehr ablief, wurde beim Ablassen im Dunkeln leider das Ventil verwechselt. Ups!
Also cruisen wir heute morgen mit unserem Camper über den Campingplatz und suchen die „Dump-Station“. Laut Parkkarte müsste sie in der Kurve zwischen Platz 18 und 38 liegen. Aber da ist nichts. Wir treffen auf einen Mitarbeiter, der uns verwundert darauf hinweist, dass wir doch einen Abwasserkanal direkt an unserem Stellplatz haben. Wie peinlich! 50 Zentimeter neben der Stelle, wo wir gestern Nacht mit Taschenlampe bewaffnet versucht haben, den Schaden in Grenzen zu halten.
Heute steht Meer … ähm … See auf dem Plan. See Ontario. Wir machen uns also zu Fuß auf den Weg. Ja, zu Fuß. Wir lassen unseren spritfressenden Straßenkreuzer stehen, es sind ja nur vier Kilometer. Die ersten zwei davon an der Straße entlang, vorschriftsmäßig natürlich gegen die Fahrtrichtung. Es ist richtig warm heute. Nach und nach legen wir Softshelljacke, Fleecejacke, Mütze, Halstuch ab und schlendern die Bankette entlang. Wie in der Aral-Werbung vor 20 Jahren.
Achtung, Schlange! Mal wieder perfekt getarnt an die Umgebung, sprich grau-braun. Dieses Mal zum Glück von der männlichen Fraktion entdeckt, so dass ich zwei Fahrspuren weiter einen großen Bogen gehen kann. Aber nunmehr nicht mehr ohne den Blick vom Boden zu wenden.
Wir müssen die Straßenseite wechseln. Bei uns machen sich nämlich gerade zwei riesige, schwarze Vögel über Aas her. Mit einer Flügelspannweite von ca. 120 cm halten wir lieber Abstand. Was sind das für Vögel? Das sind doch keine Krähen? Kormorane?
Am Straßenrand hat jemand aussortierte Dinge zum Verschenken hingestellt. Drei Stühle, eine Garderobe, ein Fahrrad (das kurz mal getestet wird) und einen Weber-Grill. Schade, dass wir DEN nicht mitnehmen können.
Wir biegen links in den Sandbanks Provincial Park ab. Im Sommer ist hier die Hölle los, jetzt sind wir fast alleine unterwegs. Über die Düne gehen wir Richtung Wasser. Das Stadtkind ruft von oben: „Da sind Robben!“ Robben? Hier gibt es Robben? Die nacheilenden Eltern identifizieren die vermeintlichen Meerestiere als Vogelart. Genauer gesagt „Black Skimmer Birds“, wie wir später herausfinden. Diese lassen sich aber wunderbar aufwirbeln und verscheuchen.
Der Sandbanks Provincial Park ist die größte Süßwasserdüne der Welt. WOW!
Wir suchen uns einen schönen Platz und breiten unsere Picknickdecke aus. Wenn wir jetzt noch eine Strandmuschel dabei hätten … … ich glaub, die wenigen Spaziergänger würden staunen.
Staunen die wohl auch über unsere Kinder, die nun fast unbekleidet durch das Wasser hüpfen? Wie liberal ist das hier? Bei unseren ausgesprochenen Gedanken zieht sich das große Kind sofort wieder an. Er wolle auf gar keinen Fall eine Strafe bekommen. Im Laufe des Tages wird uns noch eine Frau oben ohne spazierend entgegenkommen. Sorge also völlig unbegründet.
„Haben wir Spielzeug dabei?“ „Spielzeug? Nein. Spielt mit dem, was der Strand hergibt. Mehr hatten wir früher auch nicht!“ Was für ein abgedroschener Spruch. Aber er wirkt. Mit einem Stück Treibholz und einer rundlichen Frucht wird kreativ eine Minigolfbahn entwickelt.
Auf dem Weg zurück entdecken wir einen toten Fisch, dessen Zähne spitz wie von einem „Barracuda“ sind (meint der Jüngste). Ganz pragmatisch meint dieser auch: „Schluss! Aus! Basta mit dem schönen Wasserleben!“
Es geht wieder zurück auf die Straße. Auf halben Weg sind wir mutig und klingeln an der Haustür einer kleinen Farm. So steht es auf dem Schild, wenn man hausgemachte Ahornsirup-Produkte kaufen möchte. Wir möchten.
Eine ziemlich alte Frau öffnet uns die Tür. Ich rattere meinen vorbereiteten Text runter und sie guckt erstaunt meinen Mann an. Ach so, sie könne nicht so gut hören. Seine Stimme aber offensichtlich besser. Sie bittet uns ins Haus, wo in einem kleinen Vorraum etliche Flaschen unterschiedlichen Ahornsirups stehen. Anhand einer Karte erklärt sie uns die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Wir werden fündig und verabschieden uns freundlich. Nein, danke, das Stück Ahornzucker in Form eines Ahornblattes brauchen unsere Kinder nicht.
Die Taschen gefüllt geht es zurück zum Camper.
Es müssen noch Einkäufe erledigt werden. Sieben Kilometer weiter soll es einen kleinen Tante-Emma-Laden geben. Das sollte für das Erste reichen. Zehn Minuten später: montags leider geschlossen. So ein Mist. Also doch mal wieder in einen großen Supermarkt.
Baustelle. Immer wieder spannend der Job der beiden Bauarbeiter, die auf jeder Seite der Baustelle jeweils im Wechsel ihr Schild „STOP – SLOW“ umdrehen. Nix mit Baustellenampel. Hier werden Arbeitsplätze erhalten.
Bis jetzt haben wir kein weiteres Mal Fast Food gegessen. Heute gibt es ganz klassisch Maiskolben. Die Vielfältigkeit an Maisprodukten ist hier beeindruckend, aber an „Mashed Corn“ wagen wir uns nicht heran.
Als es dunkel wird, werden die streunenden Kinder mit der Taschenlampe eingesammelt. Sie mussten noch mal an die frische Luft! Aber die Wölfe vielleicht ja auch …